11. August 2024

EIN LIPPENSTIFT IST WIE EINE LIEBESERKLÄRUNG AN SICH SELBST

Kennt ihr das, meine Lieben:

Manchmal kann eine winzige Kleinigkeit, etwas scheinbar erst einmal unbedeutendes, das Highlight des Tages sein, gar der Woche oder des Monats.

Bei mir war das Wochen-Highlight der Fund eines Lippenstiftes. Ja, richtig gelesen.

Manchmal wird einem in seinem Leben, wie in einer Zwischenbilanz, zu einem unpassenden Zeitpunkt, eine unschöne Zusammenfassung seiner verrichteten oder unverrichteten Aktionen ungeschönt und komprimiert, wie in einem Kurz-Trailer vorgespielt.

Ein komprimierter Snap-Shot der vergangenen Wochen und Monate.

Eine Zwischenbilanz, die einen mal kurz wachrütteln kann/ sollte/ darf, um zu schauen, ob man die „Unternehmens-Ziele“ noch im Blick hat. Natürlich meine ich hiermit unsere eigenen Lebensziele.

Obwohl man glaubt zu denken, man hat alle Gleise in den vergangenen Monaten richtiggestellt, alle Waggons sicher aneinandergereiht, kann es dennoch eine bizzare Zugfahrt werden.

Glücklicherweise mit sorgsam und ganz bewusst ausgesuchten, lieben Menschen um sich herum, die mit im gleichen Abteil sitzen … Man ist stolz auf sich und hat dazu gelernt. Allen voran, dass Angst kein guter Weg-Begleiter ist.

Man war mutig und hat neue Pfade entdeckt, hat bewusst verlassen und sich neu eingelassen. 

Man ist super erholt aus seinem Urlaub zurück, voller Tatendrang. Einen Urlaub, der das erfolgreiche (Halb-)Jahreswerk, möchte ich so sagen, abgerundet und gekrönt hat.

Tatsächlich wäre ein Feuerwerk zum Unterstreichen ein würdigendes Spektakel gewesen. Nun, Feuerwerk mitten im Jahr, mhm, ist ja eher unpassend, oder? Ist auch verboten, wenn nicht angemeldet …

Und dann hat es dennoch die Tage „Buuuuumm“ gemacht, aber eher wie bei einer Stange Dynamit. Da läuft ungesehen die Zündschnur ab, keine Ahnung wie lang, die bereits gebrodelt und gelodert und dass sie nicht schon eher los gezündet hat. Dieses Feuerwerk war definitiv nicht angemeldet.

Die Reise des Lebens kann so wohlüberlegt sein wie möglich und trotzdem viele Umwege, Stolpersteine und auch Wendepunkte oder vermeintliche Sackgassen enthalten. Egal, ob man vor Betreten der neuen Pfade alles genaustens abgewägt und die Route solide studiert hat, um sich ausschließlich auf die Sehenswürdigkeiten und schönen Höhepunkte der Reise einzustellen. Eben den „good things in life“ …

Es gibt viele Überraschungsmomente auf der Reise. Auch neue Wendepunkte, alles ganz normal, oder?

Mhmm, ich schmunzel’, der Vergleich mit einer Fliegerbombe in meinem eigenen Garten, die lange vergraben, nie auf dem eigenen Radar war und die trotzdem plötzlich auftaucht, ist wohl gerade ein sehr dramatisch anmutender Vergleich?! Ich bin mir auch unsicher, ob meine Fliegerbombe tatsächlich so unscheinbar vergraben war oder mehr oder weniger schon immer in Sichtweite brodelnd?

Egal, diese Woche fühlte sich jedenfalls so an, als wäre eine da und sie ist detoniert in meinem kleinen Mikrouniversum.

Hat auch wieder Vorteile: Dadurch wird man erneut so richtig heftig wachgerüttelt, man schüttelt sich, man hört nicht mehr richtig, sieht nicht richtig, also auch das, was man eh nicht hören und sehen will, weil es schmerzt.

Man atmet schwer, man wischt sich Staub aus den Augen und nein, es ist nicht mein berühmter Feenstaub, wie ich ihn liebevoll nenne. Dieser gerade ist erdrückend, ist dunkel und schmutzig, fühlt sich eher wie Ballast an.

Ich bin atem- und orientierungslos. Der Herzschlag pulsiert. Der normale Flucht- und Überlebensinstinkt ist nun geweckt.

Doch: kann man aus seinem eigenen Leben fliehen? 

Ich hatte dieses Jahr alles gegeben und mir gewünscht, dass auf meinen neuen Pfaden trotz der tollen Aussichten auch Routine hineinkommt; um ganz ehrlich zu sein, ich hatte gehofft auf eine gediegene Portion Langeweile.

Ich habe mir tatsächlich so etwas wie Langeweile gewünscht, normaler Alltag, normaler Arbeitstrott, einfach wachsam, achtsam durch den Tag, aber ohne viel Tohuwabohu.

Gut, das Jahr ist auch bislang nicht vorbei und der Wunsch kann immer noch in Erfüllung gehen.

Ich habe nur manchmal keine Lust mehr auf diese kleinen Stürme. Sie sind wie Wachrütteln, diese kleinen Meerbeben, die dir immer wieder aufzeigen: Augen auf, verharre nicht zu lange an einer Stelle!

Wenn es eine gute Stelle ist, erst einmal so lange wie möglich bleiben und auskosten und nicht verlassen, ohne für sie dankbar zu sein und sie wertzuschätzen. Wertzuschätzen als Balsam für unsere Seele und dafür zu danken, weil wir sie wahrnehmen durften und sie nicht verpasst haben, in unserem turbulenten Leben.

Wenn es eine negative Situation ist, die uns insbesondere auch mental nicht guttut, dann doppelt und dreifach gut wappnen und schützen.

Doch manchmal folgen die Stürme einem auf unheimliche Art und Weise. Wie des Fischers ungewollter Beifang im Netz. Wir können sie nicht abschütteln und dann kann es passieren, dass das Boot auch mal kentert.

Aber als mittlerweile erfahrener Seefahrer hat man ja ein Beiboot, Schutzweste oder Ähnliches dabei. Wenn nicht: Segel lichten und wenn möglich schnellstens ruhigere Gewässer suchen, leichter gesagt, als getan …

Ich bemerke selbst, trotz all des Gelernten dieses Jahres, dass ich weiterhin nicht fest im Sattel sitze.

Bockt das Pferd, haut es mich zwar nicht mehr direkt aus dem Sattel und auf den Boden der Tatsachen, aber es schießt mich schon relativ hoch raus, dass ich dennoch mit einem heftigen Plumps und Autsch wieder im Sattel sitze. Einigermaßen aufrecht. Geschüttelt, aber nicht gerührt:-)

In diesen besonderen Situationen merkt man aber auch wieder den Zusammenhalt in der Familie und das wertvolle, nicht selbstverständliche Teamwork! Danke an dieser Stelle an meine zwei dazu gewonnenen, tollen Jungs, die diese Woche fabelhaftes geleistet haben!

Dennoch möchte ich manchmal einfach meinen Kopf in den Sand vergraben, weil ich keinen Bock habe auf diese täglich neuen Drehbuch-Änderungen habe. Weil mein eigener Drehbuch-Plot mir durch unerwünschte, externe Protagonisten oder andere Möchtegern-Autoren oftmals ungefragt umgeschrieben wird.

Gibt es keine eigene Lebens-KI?

KI schreibt in der Regel keine eigenen Programm-Codes, sondern verändert bestimmte Parameter, um ein generelles Muster in (Stamm-)Daten zu finden, Regeln abzuleiten und dann diese auf neue Daten anwenden zu können. KI lernt dazu, schnell, ist Positivem, Besserem auf der Spur.

Wie die gängigen Suchmaschinen kann und könnte auf die Bedürfnisse der Nutzer (in dem Falle sehe ich mich als solchen:-)) eingegangen und die Suchergebnisse entsprechend optimiert werden. 

Wäre toll, wenn das bei mir auch klappen könnte, ähnlich wie auch der Social Media Algorithmus so funktioniert.

Vielleicht bin ich resistent gegen Langeweile:-)

Es klappt einfach nicht und leider bekommt man, wenn man auf Social Media einmal Schund oder ein falsches Thema angeklickt hat, auch immer wieder den selbigen angezeigt. Obacht also, was du „like-st“, das gilt speziell für dein eigenes Leben!

Lassen wir die KI außen vor, ist es eher wie mit dem guten alten Schicksal und dem Karma-Treuekonto.

Ohhhhh und mir dauert es manchmal zu lange und ich würde mein Treuepunkte-Konto gerne mal eingelöst haben. Ich hätte dazu gerne einen Beschleuniger ähnlich wie dem einer Stange Dynamit eben, aber für die positiven Vibes only. Ich weiß auch: Wunschgedanke …

Denn es ist, wie es ist: Das Leben küsst einen immer wieder wach!

Und mit einem neuen Lippenstift ist das auch gar nicht so schwierig, mal zurück zu küssen.

Wenn wieder mal das Ende der Zündschnur erreicht ist und der Knall verebbt, dann machst du dich morgens auf, fragst nein, bittest um (Waffen-)Stillstand mit dem Universum.

Du schenkst dem neuen Tag ein inniges Lächeln, du schwingst behände aus dem Bett, schenkst deinem Spiegelbild ein ebenso inniges Lächeln zu.

Pendelst noch barfüßig, mit morgendlicher Energie hinüber zur Kaffeemaschine und setzt dich zunächst auf den Balkon und genießt.  (Vielleicht die Ruhe vor dem Sturm, aber stopp, wir wollen natürlich positiv denken, ich war bei den positiven Vibes :-))

Und wenn du so den Start in den Tag genossen hast, setzt du dich ins Auto, um deine täglichen Einkäufe anzugehen. Um beim Abstecher, im Drogeriemarkt, dann voller Entzücken aufzuschreien, weil du ungeplant und ohne Erwartungen einen Lippenstift findest, der deinem seit Jahren ausverkauftem Lippenstift täuschend ähnelt.

Und es macht glücklich. Es macht mich glücklich!

Es ist nicht der Lippenstift, aber mehr oder weniger ein Symbol dafür, dass es die winzigen und einschneidenden Dinge im Leben sind, die das Herz erfreuen können und weiterschlagen lassen.

Mein bisheriger Lippenstift war zu einem Zeitpunkt in mein Leben getreten, an dem ich so viel verloren hatte. Damals war es 1 Jahr voller unterschiedlicher, heftiger Abschiede und nach den Chemo-Behandlungen hatte ich final auch noch mein Äußeres verloren.

Ja, ich habe es für mich sogar so beschrieben: Identitätsverlust.

Und viele sagen, es waren doch nur Haare. Nein, das war es eben nicht. Ich fühlte mich wie ein komplett anderer Mensch, ich hatte mich verloren, ich hatte bereits vorher so viel verloren. Der Blick in den Spiegel war nun ein gänzlich anderer. Auch selbst da, keine Routine, kein altbewährtes, altgewohntes.

Alles, was ich vorher an Make-up, Kleidung trug, passte zu diesem neuen Look nicht mehr. Meine Haare kamen in der gleichen Konsistenz und Dicke wieder, nur silbergrau, anfangs fast weiß. Ich war immer ein Langhaarmädchen.

Puhhh….. Für mich war es ein Identitätsverlust, sage ich doch.

Und auf der Suche nach meinem neuen ICH, neuen, zu mir passenden Farben, neuen Farben, neuem Stil, fand ich damals diesen Lippenstift, der seitdem zu meiner Signatur geworden ist.

Der Blick in den Spiegel damals tat weh, das möchte ich nicht beschönigen.

Dennoch gibt es ein Bild auf einem Weinfest, von meiner lieben Freundin Katja und mir: Auf dem Bild sieht man mich, mit kurzen, frechen silbernen Haaren, leicht gebräunter Teint, denn es war wie jetzt Sommer und einem unglaublichen Strahlen auf den Lippen, auf denen meine neue gefundene Lippenstiftfarbe, wie ich fand, verführerisch thronte.

Wenn man dieses Bild sieht, wenn ich dieses Bild sehe, frage nicht nur ich mich, sondern auch Freunde und Fremde, wie man so glücklich aussehen konnte, nach so einer schweren Zeit. Das Bild lässt die vergangenen Wochen, Monate, Jahre nicht erscheinen.

Und exakt dies beschreibt dieses Bild. Einen glücklichen, stolzen Menschen. Als wäre der Lippenstift das passende, symbolische Ausrufezeichen dazu! ER wurde zu einer Zwischenbilanz meines Lebens.

Ich hatte die Brustkrebs-Operationen überstanden, sechs Monate Chemo’s plus anschließender Bestrahlung.

Ein Mammutprogramm für einen gesunden Körper, ein Ironman-Programm für einen Menschen, der vorher schon so viel verloren hatte. Eh schon weit unten war, sich von allem freigeschwommen hatte und dann eine neue Herausforderung, ein neues Meerbeben in Form einer heftigen Diagnose, bekam.

Der neue Lippenstift damals unterstrich und betonte mein neues Ich. 

Für mich wie ein kleiner Meilenstein, denn die neue Farbe gehörte zu meinem neuen Ich, in das ich mich nach einigen Monaten der Gewöhnung und etappenweisem Anfreunden, auch wieder verliebt hatte.

Ich hatte die letzten Monate auf allen möglichen Portale Restbestände dieses Relikts aus dieser Zeit gesucht und aufgekauft. Nun waren seit Wochen alle Vorräte im Internet, auch die meinigen, aufgebraucht.

Der kleine, harmlose Lippenstift-Fund diese Woche hat mich geerdet, ja wirklich, Kraft gegeben, dieses kleine Dingchen.

Ein Lippenstift kann wie eine persönliche Signatur sein, eine Erklärung ans Leben, eine Liebeserklärung.

Denn es geht immer weiter, auch wenn diese intensive Woche und seine Beben noch mehrere Monate nachhallen werden.

Manchmal benötigt es nur einen kleinen Schubs oder einen neuen Anstrich, eine neue Ansicht, eine neue Aussicht. Denn das, was schon da ist, ist wundervoll und unsagbar wichtig und einzigartig.

Er lässt mich in einem neuen Licht erstrahlen, weiter strahlen. Nichts bleibt starr, nichts verweilt in einer unschönen Situation. 

Hier ist Platz für mein Lieblingslied „Hey“ von Andreas Bourani: Es geht vorbei, es geht vorbei … komm nicht auf den Scherben zum Stehen!

In diesem Sinne: immer schön weitermachen und nicht auf den Scherben stehen bleiben!

Ich liebe das Leben!

Herzlichst, Betzie


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