Wer ist das nicht und dazu noch in immer kürzeren Abständen, in diesen fordernden Zeiten, mit all den vielen Pulsschlägen um uns herum?
Wie kleine Kometeneinschläge, die nicht ungefährlich sind, wenn vorher auch eindrucksvoll am Himmel als wunderschönes Feuerwerk betrachtet, die uns dennoch beim Aufprall in unsere Daseins-Atmosphäre unsanft treffen können.
Es sei diesen Menschen von Herzen gegönnt, die bereits im wohlverdienten Ruhestand sind. Mein Dad, viele seiner Freunde und Bekannte und den Menschen, denen er gerade bevorsteht!
Entweder aufgrund ihres langjährigen harten Arbeitslebens: Chapeau für das Durchhaltevermögen! Auch dankt sicherlich der deutsche Staat für die nicht unbeträchtlichen Einkünfte, die ihm dadurch beschert wurden. (Hier darf jeder für sich entscheiden, ob ich den Satz mit einem lachenden oder weinenden Smiley beenden darf.)
Oder aufgrund der Variante, besser gesagt dem Mix, von lebenslangem sorgsamem Wirtschaften kombiniert mit harter Arbeit und somit der Möglichkeit dem Arbeitsleben sogar im perfekten Fall etwas eher zu entrinnen: Um das Leben endlich oder genau jetzt zu starten!
Ich hoffe inständig, dass jeder jetzt schon lebt und nicht auf das magische Rentenalter wartet ❤️
Hey, selbst ich habe, glaube ich, noch knappe 13 Jahre.
Puhhh. Hört sich an, als wäre es noch in weiter Ferne.
Oder prickelt das Gefühl von Freiheit schon in meinen Adern?
Ich weiß es, zugegebenermaßen, gerade nicht.
Für unsere Generation ist dieses Thema nicht einfach, weil die weltliche Frage bleibt: können wir uns einen finanziellen Ruhestand leisten?
Das ist trauriger Fakt.
Einen gesundheitlichen Ruhestand definitiv, das steht außer Frage.
Bei mir geht es um das Thema Brustkrebs.
Ich kann glücklich und überzeugt behaupten, ich habe ihn besiegt, habe ihn überstanden!
Überlebt möchte ich nicht sagen.
Ich habe nie infrage gestellt, weiterzuleben, als ich diese Herausforderung der Erkrankung angenommen habe.
Es gab einen Moment, da wurde mir die Endlichkeit des Lebens bewusst.
Dennoch hieß es bei niemals böser Krebs oder Kampf gegen den Krebs.
Nein, es war ein Warnsignal, ein übergroßes LEUCHT-Signal, mit bereits blinkenden Leuchtbuchstaben.
Das passende Audio der Lebens-Polizei hätte noch gefehlt, hätte ich nicht gebremst.
So etwas wie: „Achtung, Achtung! Bitte halten Sie jetzt unbedingt an und nicht immer ‚nur durch‘ wie die letzten Monate und Jahre …“
Am besten ein Audio in Dauerschleife.
„Wir nehmen Ihnen den ‚Fahrschein des Lebens‘ weg, wenn sie nochmals über sämtliche Warnsignale hinwegsehen und diese grob fahrlässig missachten.“
Die Diagnose Krebs hat ausgereicht, um mich zu stoppen.
Ein mächtiges Signal.
Für sich selbst sprechend, selbstredend. Da gab’s nicht mehr zu argumentieren, rechtfertigen oder drüber wegzusehen.
Die rosarote Brille hatte ihre Daseinsberechtigung mehr als überschritten. Es war auch kein sanftes Aufwachen oder Erwachen in Scheibchen mehr möglich.
Es war ein übergroßes Warnsignal, der sogenannte Schuss vor den Bug: Ich hatte zu viele Warnsignale vorher übersehen, teils übersehen wollen, entschieden zu viele.
Krebs kann ein Wegweiser sein, das könnte jede Erkrankung, wenn man ihr das zutraut.
Und glaubt mir, er war ein Wegweiser für mich und ich hatte, die Chance eine extreme Kursänderung vorzunehmen, in der Hauptrolle meines Lebens, in meinem Drehbuch zu brillieren, um die Erkrankung zu überstehen.
Und genau die Frage des Überstehens war mein Thema in den letzten Wochen.
Es war ein ereignisreiches letztes halbes Jahr.
Ein selbstbestimmtes, ich bin glücklich über jede einzelne Entscheidung, die ich getroffen habe und die mich jetzt an diesen Tag, in dieses jetzt und heute bringt.
Durch eine gesundheitliche Erkrankung bekommt der oder die Betroffene in Deutschland eine „gewisse Bestätigung einer körperlichen Beeinträchtigung“, im Fachjargon eben Schwerbehindertenausweis genannt.
Möchte man eine Erkrankung schwarz auf weiß bestätigt haben?
Nein, nicht unbedingt.
Es reicht völlig aus, am Tag der Diagnose mit einem DIN-A4-großen Ordner die Klinik zu verlassen.
Im besagten Ordner, ein Berg an Fachbegriffen, für die ich Medizin studiert haben müsste. Furchteinflößende Begriffe, die heftige Diagnose selbst, daneben weitere Termine und Überweisungen für dieselbige.
Ein DIN‑A4‑Ordner, schwer wie Blei, auf dessen Titelseite ein Foto und Name der Klinik prangert.
Stigmatisiert hatte ich mich gefühlt, so wahr ich doch damals ausgestattet mit einer wehenden Flagge. In Szene gesetzt, wie eine riesige, grell leuchtend und blinkende Werbetafel auf dem Times Square in New York.
Der Ordner löste in mir das Gefühl aus, ich würde ein riesiges Mahnmal vor mir hertragen.
Schwerbehindertenausweis:
Kein schöner Begriff, wenn es einem ohnehin gerade schon nicht so gut geht, kein erstrebenswertes Must-have, nichts, worauf man stolz sein könnte.
Ich diesem Zusammenhang möchte ich einen kleinen Moment verharren bei der Formulierung „Überstehen“ im Sinne von Krankheit besiegt haben.
Denn in den vergangenen Monaten sollte mein Grad meiner Behinderung gesetzlich neu überprüft und festgelegt werden.
Einhergehend mit einem Schreiben, einer offiziellen Feststellung des Amtes für Soziales, wurde dies auch aktuell nach Prüfung aktueller Arztbefunde getan:
Mit dem Ergebnis, dass ich nach knapp 5 Jahren Rezidiv-frei bin. Gesund und infolgedessen offiziell Krebs-frei bin. Yeahh!
Stolz sein darf man also definitiv, nach Ausstellung eines solchen Ausweises, rückblickend, wenn alles geschafft ist. Alles überstanden ist und ein solcher Ausweis prozentual aufgrund des Wegfallens einer Erkrankung heruntergesetzt wird.
Also eigentlich wie in der Schule: man erhält eine niedrigere und somit automatisch bessere Punktzahl.
Eigentlich positiv, oder? Krebs vertrieben?Bye Bye! Dem Krebs, auf Nimmerwiedersehen gesagt.
Alles wieder gut? Alles wie früher wieder? Mhmm, so einfach ist die Beantwortung nicht.
Unfassbare, unbeschreibliche Freude und eine unermessliche Dankbarkeit gepaart mit besagtem Stolz, denn beim Überstehen der Erkrankung gehört auch dazu und das darf niemand, primär man selbst, nie vergessen:
Was man selbst massiv geleistet hat, um zum Abschied der Erkrankung beizutragen!
Und betreffend diesen Ausweis:
Hurrraaaa, darf und sollte ein jeder laut Schreien, dessen Erkrankung glücklicherweise weggefallen ist, überstanden ist und dessen Grad der Behinderung dadurch reduziert wurde oder gar komplett wegfällt.
Doch aufgepasst: Bei dem Ausweis geht es um den Ausgleich einer Benachteiligung!
Genau das darf man selbst nie vergessen und daran hat mich die Tage eine liebe Freundin erinnert.
Eine liebe Freundin, selbst betroffen, die vor Jahren auch eine Krebserkrankung erfahren musste und die genau unter den ähnlichen Begleiterscheinungen leidet, den massiven Nebenwirkungen und diese auch erst spät verstanden hat.
Denn, wenn du alle erfolgreichen Stages der Behandlungen tapfer durchlaufen bist, dann bemerkst du erst, was all das mit deinem restlichen Körper gemacht hat.
Sie hat, wie ich, ein wenig gedacht sie tickt nicht mehr richtig.
Du (er)-kennst deinen Körper plötzlich nicht mehr. Jahrelang war er so und so. Und nun so…
Etwas ist anders, zu Beginn noch undefinierbar, denn es ist klar: Eine Krebsbehandlung ist kein Spaziergang, er ist ein Marathon der Superklasse!
Meine Freundin und ich haben unsere Leistungsfähigkeit, unser Denken und unseren Verstand in Frage gestellt, massiv gezweifelt an uns selbst.
Weil plötzlich alles anders war im Kopf und im Körper, in der Seele.
Wir werden nicht die einzigen sein, denen es so erging und es werden viele folgen, denen es leider auch so ergehen wird.
Es geht nicht nur um die Erkrankung selbst, die so zack und boahhh, der Krebs ist weg und es sind keine neuen Rezidive in den vergangenen Jahren aufgetaucht und fein ist es und alles wieder guuuuuut.
Nein, es geht darum, aufmerksam zu machen, auch allen anderen, bewusst zu machen, was eine solche Erkrankung in dieser Dimension mit einem macht.
Was sie verursacht, was sie überhaupt in einem ausgelöst hat. Denn davon spricht dann keiner mehr 🙁
Auch wenn es in dieser Form vorher auf dem Ausweis so nicht draufstand, weil da lediglich das Wort „Krebs“ stand, sind doch neue Symptome einhergegangen und geblieben.
Was traumatisch geblieben sind:
Stunden & Tage, in denen mir die Endlichkeit des Lebens bewusst wurde. Stunden, in denen ich nicht wusste, dass „mein“ Krebs ein hormoneller ist. Das „mein“ Krebs ein nicht aggressiver und doch hoffentlich hervorragend in den Griff zu bekommender und behandelnder Krebs sein würde.
Stunden & Tage, in denen ich mich gefragt habe, ob es das jetzt war? Ob ich mein Kind groß werden sehen darf? Selbst vielleicht mal Oma sein werde und Enkel habe?
Einer meiner Träume: eine coole Oma werden, die mit 70 im Garten noch ihr Yoga praktiziert, zusammen mit den Enkeln!
Was nicht auf dem Ausweis mit der Bezeichnung Krebs einhergeht, sind die zusätzlichen Nebenwirkungen der jahrelangen Medikation, die mit einem hormonellen Krebs einhergehen.
Die heftigen Nebenwirkungen, die der erfolgten Chemobehandlung und Bestrahlung einhergehen: Chemodemenz, Verlustängste, Traumata, Rezidiv-Ängste, Fatigue-Symptome wie Schlafstörungen, Erschöpfungszustände, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, kognitive Einschränkungen, Konzentrationsstörungen und damit verbundene auch mal depressive Phasen.
Ein Teilverlust der Weiblichkeit, ein Identitätsverlust durch den Haarausfall.
Was nicht schwarz auf weiß auf dem Ausweis neben dem Wort Krebs steht, sind die immensen Existenzängste durch ein Teilzeit-Arbeitsmodell, weil Vollzeit undenkbar ist, aufgrund der gesundheitlichen und damit leistungs-geminderten Situation.
Und ich rede hier von mir. Von alledem spricht keiner. Und noch schlimmer, es fragt gar keiner danach.
Mit dem Verschwinden der Krebserkrankung, ist man wieder gleichgestellt, wie vor der Erkrankung.
Nur nichts mehr, gar nichts mehr, ist wie vorher.
Auch wenn die Erkrankung nicht mehr da ist, hat sie Schalter in uns umgelegt, sie hat etwas ausgelöst.
Bei einem starken happy Girl, wie bei mir, fallen diese Nachteile nicht direkt auf. Es gehört zum Tag, zum All-Tag dazu. Zu leisten, durchzuhalten, mitzumachen, denn Aufgeben ist keine Option.
Ich beschwere mich dabei auch nicht, ich habe aber mit Bestürzung festgestellt, wie schnell man (und ich rede hier immer noch von mir) das vergisst und wie sehr ein unnormaler Zustand zu einem vermeintlich normalen werden kann… In dem man in der neuen Beurteilung augenscheinlich nur Positives sieht.
„Klasse, wie du das wegsteckst, höre ich viele Leute reden, die mich erleben.“
Weil man seine ebenfalls augenscheinlichen Nachteile einfach so wegsteckt, sich von ihnen nicht versucht, das Leben vorschreiben zu lassen, immer und immer wieder.
Wie man den neuen Zustand akzeptiert, Gewesenes teils ignoriert und sich tatsächlich an vielen Tagen selbst fragt, was denn mit einem los ist.
Warum man so schlapp ist, warum man keine Energie mehr hat, warum einem so vieles schwerfällt.
Weil man den Alltag gerade so übersteht und nach der Arbeit einfach nur auf die Couch fällt. Nicht schafft wegzugehen, sich zu treffen, es gerade so ins Yoga oder in den Reha Sport schafft.
Ja, vielleicht auch alle 2 Wochen mal weggeht und sich trifft, um dann noch mehr Regenerationszeit im Nachhinein zu benötigen..
Warum, warum, warum es früher anders und einfacher war…
Aber die Erklärung liegt auch auf der Hand: Ich habe die Erkrankung damals akzeptiert und als Warnsignal gesehen.
Als Herausforderung betrachtet und als Mission.
Und diesen Gedankengang von mir liebe ich am meisten:
Ich habe die Krankheit als Freischein betrachtet. Einen Freischein, um aufzuräumen.
(Mehr dazu in meinem Mutbuch:-))
Das hat mich glücklich gemacht und zu dem Mensch und an dem Punkt, an dem ich jetzt bin.
Trotzdem darf und muss man auf seine Nachteile aufmerksam machen.
Es sind die Schattenseiten in uns, die gesehen werden möchten. Nicht ständig, aber in liebevoller Erinnerung auch mal vor geholt werden sollten.
Ein Grund zum Feiern auf das, was jeder schon in seinem Leben geleistet hat!
Ein etwas längerer Eintrag heute, aber letzte Woche war ich zu erschöpft, warum habt ihr oben gelesen.
Ich bin nicht mehr 100 Prozent die ich vorher war. An vielen bin ich unendlich gewachsen und gereift und dankbar dafür.
Aber ich habe auch Federn gelassen.
Und eine Neubeurteilung dieses Ausweises, sollte genau das einfangen.
Und dann ihr Lieben, kann ich vielleicht, schon ohne Abzüge, etwas eher in dem wohlverdienten Ruhestand gehen.
Eine Herausforderung dies anzufordern ist es auf jede Fall wert nicht wahr!?
Jeder sollte alles für sich einfordern dürfen, was gut tut.
In diesem Sinne, einen wunderschönen Sonntag und sonnige Grüße von meinem Lieblingsplatz im Mittelmeer.
Herzlichst, Betzie
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Immer wieder GROßEN Respekt vor deinem Mut, vor deinem IMMER-WIEDER-AUFSTEHEN, vor deiner POSITIVEN LEBENSLUST.
Du hast das Thema sehr gut auf den Punkt gebracht . Nix ist mehr wie vorher, aber davon lassen wir uns unter KEINEN Umständen unterkriegen 😉
LG, Silke
Danke für dein wertvolles und umgehendes, geschätztes Feedback. Ich weiss nicht, ob jemals der Moment kommt, an dem ich auf den „Veröffentlichen“ Button im Blog drücke und nicht innerlich und äußerlich die Luft anhalte. Denn all das, was ich schreibe enthält so viel von mir, echtes Herzblut. Aber ich bin überzeugt, da „draussen“ sind so viele Menschen, die das auch fühlen, ihre Gedanken und Gefühle aber gar nicht so ausdrücken oder einfangen können. Ich hoffe ich kann dazu beitragen, mit dem Gefühl, das niemand allein ist mit den Herausforderungen des Lebens❤️